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Science Center sind Naturwissenschafts- und Technikmuseen, die ihre Besucher dazu einladen, an Experimentierstationen naturwissenschaftliche Phänomene selbständig zu entdecken. Das Projekt Interactive discoveries: A video and eye-tracking based study of knowledge construction in science centres, in dessen Rahmen meine Dissertation entsteht, untersucht Besucherinteraktionen im Science Center Technorama in Winterthur, um den grundlegenden Mechanismen, mit denen sich Besucherinnen und Besucher an den Experimentierstationen gemeinsam Wissen erarbeiten, auf die Spur zu kommen.
Dazu begleiten wir kleine Gruppen von 2-3 Besuchern mit zwei Videokameras und dokumentieren zusätzlich ihr Blickverhalten mit Eye-Tracking-Brillen. Mit den Mitteln der Gesprächsanalyse und der multimodalen Interaktionsanalyse rekonstruieren wir dann die Alltagsmethoden, mit denen Menschen gemeinsam etwas in ihrer Umwelt entdecken, das Entdeckte als naturwissenschaftliches Phänomen formulieren und sich ein gemeinsames Verständnis der entdeckten Phänomene erarbeiten.
Mein Dissertationsprojekt setzt dabei den Fokus auf die Techniken, mit denen Besucherinnen und Besucher ihre individuelle multisensoriale Wahrnehmung für andere Interaktionsteilnehmer und -teilnehmerinnen verfügbar machen und interessiert sich somit für den Prozess, der von der individuellen Wahrnehmung zur sozialen Konstruktion von Wissen führt. Indem die einzelnen Interaktionsteilnehmer ihre individuelle Erfahrung interaktiv relevant setzten und dadurch einen intersubjektiven Wahrnehmungsfokus ermöglichen, wird einerseits eine wichtige Voraussetzung zur interaktiven Wissenskonstruktion geschaffen. Andererseits gehört das Mitteilen von Wahrnehmung auch zum gemeinsamen Erleben, was ein zentrales Element eines gemeinsamen Museumsbesuchs ist.
Durch die Analyse sollen einerseits die Techniken rekonstruiert werden, die die Besucherinnen und Besucher anwenden, um ihre Erfahrungen und Beobachtungen den Interaktionspartnern verfügbar zu machen und aufgezeigt werden, wie diese Techniken mit der interaktiven Konstruktion von Wissen über Naturphänomene in Zusammenhang stehen. Andererseits sollen weitere Funktionen des Vermittelns der eigenen Wahrnehmung beschrieben werden. Gerade der Fokus auf die Multisensorialität erlaubt es, interaktive Verstehensprozesse detailliert zu erfassen und somit den Mechanismen auf die Spur zu kommen, auf die der grundlegende didaktische Ansatz von Science Centern abzielt.
Das Technorama macht sich nämlich in seinem didaktischen Manifest zum Ziel, seinen Besuchern möglichst authentische Erfahrungen mit Naturphänomenen zu vermitteln. Sie sollen durch Zweifeln und Staunen zu neuen Erkenntnissen kommen und am Exponat selbst dazu angeregt werden, über das Erlebte zu kommunizieren. Durch seine erfahrungszentrierte Didaktik bietet das Technorama die idealen Voraussetzungen zur Untersuchung, wie die Besucherinnen und Besucher die Elemente des Museumraums nutzen, um über die sinnliche Konfrontation mit den fraglichen Phänomenen gemeinsames Wissen über Naturphänomene zu konstruieren. Bei der gemeinsamen Nutzung der Experimentierstationen konstruieren Besucherinnen und Besucher geteiltes Wissen, indem sie sich darüber austauschen, was sie sinnlich wahrnehmen, wissen oder durch das Exponat erfahren. Diese Entdeckungsprozesse sind ein charakteristisches Merkmal von Science Centern. Obwohl gerade die interaktive Wissenskonstruktion durch multisensoriales Erleben in Science Centern deren Beitrag zum Public Understanding of Science ausmacht, ist sie noch wenig erforscht. Das gegenwärtige Dissertationsprojekt beabsichtigt dazu beizutragen, diese Lücke zu füllen. Genauere Kenntnisse über die alltäglichen Methoden, mit denen Menschen etwas in ihrer Umgebung bemerken, diese Entdeckung andern weitergeben und sich ein gemeinsames Verständnis für das erlebte Phänomen aneignen, könnten sowohl die Wissenskommunikation in Science Centern beeinflussen, als auch theoretische Grundlagen für andere wissensvermittelnde Situationen bilden.
Indem das Projekt auf die Konstruktion geteilter Sinneserfahrungen im Gespräch der Besucher fokussiert, baut es eine Brücke zwischen Gesprächsanalyse und der museologischen Besucherforschung. Gleichzeitig erweitert es das Methodenspektrum dieser beiden Wissenschaften durch den Einsatz von Eye-Tracking-Brillen und untersucht das Spannungsfeld von individueller Wahrnehmung und sozialer Konstruktion von Wissen.
Betreuung: Wolfgang Kesselheim, Heiko Hausendorf
Finanzierung: SNF